Tomás Maldonado: Digitale Welt und Gestaltung

Ausgewählte Schriften, herausgegeben und übersetzt von Gui Bonsiepe. Erschienen in der Publikationsreihe „Schriften zur Gestaltung“ der Züricher Hochschule der Künste

Rezension von Petra Eisele

Tomás Maldonado, ehemals Rektor der Ulmer HfG und dann Professor am Polytechnikum in Mailand, gilt als international renommierter Designwissenschaftler, der sich intensiv mit Problemen der Umweltgestaltung und Digitalisierung auseinandersetzt.

Im vergangenen Jahr veröffentlichte der Baseler Birkhäuser Verlag nun eine Auswahl seiner Schriften der letzten drei Jahrzehnte, die von Gui Bonsiepe aus dem Italienischen übersetzt und herausgegeben wurden, so dass sie erstmals in deutscher Sprache vorliegen. Der Band „Digitale Welt und Gestaltung“ erschien in der Publikationsreihe „Schriften zur Gestaltung“ der Züricher Hochschule der Künste, die es sich zur Aufgabe macht, bedeutende Texte aufzulegen, die entweder nicht oder nur unter Schwierigkeiten im deutschsprachigen Raum zugänglich sind.

In seiner Publikation liefert Maldonado Beiträge zu Kernfragen des Designs, indem er sprachphilosophische, anthropologische und semiotische Aspekte beleuchtet, aber auch Medizin, politische Ökonomie und Technikgeschichte berücksichtigt. Da seine Texte auf einem konkreten Entwurfshintergrund basieren, gelingt es ihm, eine ganz eigene Perspektive zu entwickeln, die als „Philosophie des Entwerfens“ beschrieben werden kann. Gleichzeitig fußen seine theoretischen Reflexionen auf wissenschaftlicher Methodik, so dass sich seine Fragestellungen, die sich dem Aufzeigen von Widersprüchen und Problemen verschreiben, wohltuend von der manchmal doch rauschenden Geschäftigkeit um Design abheben.

Die einzelnen Texte nehmen Bezug auf die zentralen gestalterischen Entwurfsdisziplinen, allen voran das Industrie- und Medien-Design, aber auch die Visuellen Kommunikation und Architektur, wobei Maldonado zumeist interdisziplinär argumentiert. Besonders interessant erscheint seine Frage, ob das Cyberspace als demokratisch anzusehen sei – eine Frage, die ihn dazu führt, die oftmals überzogenen Hoffnungen eines technologischen Determinismus zu entlarven. Für das Industrie- und Medien-Design erscheinen seine Überlegungen zu den Auswirkungen technischer Entwicklungen auf menschliche Lebens- und Alltagswelt, aber auch auf den menschlichen Körper bemerkenswert; für die Visuelle Kommunikation sprachphilosophische Reflexionen über den Ikonizitätsbegriff sowie das Kapitel „Sprechen, schreiben, lesen“, in dem er die tief greifenden Änderungen im Umgang mit Sprache, Schrift und Lesen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Digitaltechnologie analysiert. Abschließend ist sein Festvortrag wiedergegeben, den er anlässlich des 50. Gründungstages der HfG Ulm gehalten hat. Hier blickt er nicht nostalgisch zurück, sondern zieht kritisch Bilanz über Erfolge und auch Misserfolge des „Ulmer Modells“.

Gestalterisch überzeugt die sehr sorgfältig und schön gestaltete Publikation mit ihrem schwarzen Leineneinband und der rein typografischen Covergestaltung, die in ihrer Reduziertheit und Klarheit einstimmt auf konzentriertes Lesen, wie es im Inneren des Buches vonnöten ist. Insbesondere der reiche wissenschaftliche Anmerkungsapparat regt dazu an, einzelne Argumentationsstränge weiter zu verfolgen.

Tomás Maldonado: Digitale Welt und Gestaltung. Ausgewählte Schriften, herausgegeben und übersetzt von Gui Bonsiepe. Erschienen in der Publikationsreihe „Schriften zur Gestaltung“ der Züricher Hochschule der Künste. Birkhäuser Verlag Basel / Boston / Berlin 2007, 421 S., geb., 24,90 €, (ISBN 978­3­7643­7822­6)