Robert Lzicar, Davide Fornari (Hrsg.): Mapping Graphic Design History in Switzerland

Designforschung in der Schweiz

Rezension von Bernhard E. Bürdek

Die glückliche Schweiz ist eines der wenigen Länder, das über eine institutionellen Designförderung verfügt. So ist beispielsweise der SNF (Schweizer National Fond) seit Beginn der 2000er Jahre offen für Anträge aus dem Bereich Design: „It reveals that design and its role in innovation are highly correlated … one enterprise out of four reports using design and that designintegration tends to have a positive effect ….

“Mapping Graphic Design History in Switzerland” (Zürich 2016) ist ein Beispiel für die Erforschung des Graphik Designs in der Schweiz, das eine substantielle Rolle zur Herausbildung einer nationalen Identität darstellt. Davide Fornani von der ECAL University of Art and Design in Lausanne und Robert Lzicar von der Bern University of the Arts legen jetzt eine umfangreiche Dokumentation vor, die jenseits der mannigfaltigen bunten Bilder, die zu diesem Thema veröffentlicht wurden, die Hintergründe und Zusammenhänge des schweizerischen Graphik Designs aufzeigen. Die Verwissenschaftlichung der Designstudiengänge führt zu einer vertiefenden Debatte über das Schweizer Graphik Design und ganz besonders einer Typographie. So gesehen stellt dieses Buch einen veritablen schweizerischen Beitrag zur globalen Geschichte der Visuellen Kommunikation dar. Die visuelle Sprache des Graphik Designs in der Schweiz besitzt eine internationale Reputation, die jetzt wissenschaftlich erforscht und dokumentiert wurde.

In drei großen Sektionen – Education, Practice und Dissemination werden die vielfältigen Aspekte des Themas elaboriert. In den 1920er Jahren begann die „Typografische Gestaltung“ an Bedeutung zu gewinnen, die ihre Anfänge an der Kunstgewerbeschule in Zürich hatte. Die „Neue Schriftbewegung“ wurde zu einem konstitutiven Element – nicht nur in der Schweiz – sondern auch Deutschland, beispielsweise am Bauhaus, nicht zuletzt als Zeichen des Aufbruchs und Neubeginn nach dem Ersten Weltkrieg.  Insbesondere die Basler Schule für Gestaltung hat sich dabei auch international profiliert genauso wie die HGKZ in Zürich. Zu allen Hochschulen werden exemplarische Beispiele abgebildet, die deren Wirken anschaulich machen.

Im zweiten Teil – über die Praxis – legt Francisca Nyffenegger von Erwin Panofsky entwickelte Ikonologie als theoretische Methode zu Grunde, mittels der die Objekte der Untersuchung kontextualisiert und dann interpretiert werden. Dies entspricht dem heute gängigen Ansatz, dass Objekte „sprechen“, wie es z. B. von Josiena Gotzsch (Grenoble) oder von Dagmar Steffen (Luzern) dargestellt wurde. So ist das „Alpine Arcadia“ konstitutiv für sämtliche gestalterischen Arbeiten in der Schweiz.

Wenig bekannt sind die Wechselwirkungen zwischen dem schweizerischen und italienischen Grafik Design. Grafiker aus beiden Ländern arbeiteten seit den 1930er Jahren im Nachbarland, so entstand die „Mailänder Schule“ aus den durchaus hybriden Designszenen beider Länder auf der Achse Zürich – Mailand. Das Mailänder Kaufhaus La Rinascente war in den 1950/60er Jahren ein hochkarätiges Zentrum der Designpromotion, für das zahlreiche Entwerfer gearbeitet hatten. Die Graphik Designerin Lora Lamm arbeitete fünf Jahre für das Unternehmen und schuf gar einen „stile Rinascente“, aber auch Tomás Maldonado war für La Rinascente tätig, das u. a. als Urheber des renommierten Designpreises „Compasso d`Oro“ gilt. In den 1960er Jahren arbeiteten zahlreiche schweizerische Absolventen der HfG Ulm in Mailand, z. B. Pio Manzù, Giovanni Anceschi, Rodolfo Bonette, Franco Clivo und auch zahlreiche schweizerische Grafik Designer arbeiteten in den Studios von Milano.

Im dritten Teil – über die Verbreitung – erhält man Einsichten, beispielsweise  die akribische Sammlung von Plakaten im Museum für Gestaltung Zürich, das auf das Jahr 1875 zurückgeht. Über 350.000 Beispiele werden dort aufbewahrt, was man fast schon als ein nationales Erbe des schweizerischen Grafik Design verstehen kann.

Aber auch das Buch-Design hat in der Schweiz seine besonderen Qualitäten, die Zentren waren erneut Basel und Zürich und zu den Akteuren gehörten nach dem Zweiten Weltkrieg Max Bill, Richard Paul Lohse oder auch Jan Tschichold.

Ein besonderes Kapitel ist Wolfgang Weingart gewidmet, der eine Legende der schweizerischen Typographie darstellt, er lehre lange Zeit an der Schule für Gestaltung in Basel. Ausgebildet als klassischer Typograph gelang ihm kongenial der Überschnitt zum künstlerischen Diskurs aber auch zur Nutzung digitaler Medien für seine Entwurfsprozesse. Seine visuellen Forschungen sind überaus bedeutsame Beiträge zur schweizerischen Typographie.

Diese wurde in mannigfaltigen Publikationen gewürdigt und in Ausstellungen präsentiert. Dies alles zeigt dieses Forschungsprojekt mit großer Akribie, es ist exzellent recherchiert und anschaulich visualisiert. So kann man Designforschung ernsthaft betreiben.
 

Robert Lzicar, Davide Fornari (Hrsg.)
Mapping Graphic Design History in Switzerland
Buchgestaltung: STVG, Zürich
ISBN 978-3-03863-009-8
Englisch, 328 Seiten, 16 × 24 cm
ca. 100 Abbildungen und 3 Bildessays
Klappenbroschur

CHF 39.–, Euro (D) 39.–, Euro (A) 40.–