Rezension von Petra Eisele
Erst wenn wir das Herstellen von Dingen besser verstehen, begreifen wir unsere materielle Kultur – unter dieser Prämisse widmet sich der Soziologe und Kulturphilosoph Richard Sennett in seiner neuesten Publikation dem Thema „Handwerk“. Da praktisches Handeln und Denken bei einem guten Handwerker immer in Dialog stehen, ergebe sich ein ständiger Wechsel zwischen dem Lösen und dem Finden von Problemen; ein guter Handwerker gehe seiner Arbeit mit Hingabe nach und mache sie um ihrer selbst willen gut; Gute Arbeit leisten heißt neugierig sein, forschen und aus Unklarheiten lernen.
Indem Sennett praktisches Tun unter kulturhistorischen und ethischen Fragestellungen reflektiert, die auch Wissenschafts- und Technikgeschichte berücksichtigen, bietet diese Publikation zahlreiche Impulse für eine Reflektion über Design, und so empfiehlt sich eine Lektüre sowohl für Designer als auch Designtheoretiker und natürlich auch für Designhistoriker. Von besonderem Interesse dürfte dabei Sennetts Kritik sein, in der westlichen Zivilisation habe schon immer ein Problem darin bestanden, praktische Fähigkeiten anzuerkennen und zu fördern. Entsprechend analysiert Sennett die Entwicklung handwerklicher Fertigkeiten und leitet daraus folgende Kernthesen ab: Da Hand und Kopf zusammen arbeiten, beginnen alle Fertigkeiten, selbst die abstraktesten, mit körperlicher Praxis. Entsprechend bildet handwerklicher Geist Grundlage jeglicher Erkenntnis. Zudem entwickle sich technisches Verständnis erst dank Phantasie. So dränge beispielsweise die Verwendung unvollständiger oder unvollkommener Werkzeuge dazu, Fähigkeiten des Reparierens und Improvisierens zu entwickeln. Auch sei Motivation wichtiger als Talent. Wer von dem Gedanken besessen sei, seine Arbeit vollkommen richtig zu machen, deformiere möglicherweise seine Arbeit.
Abschließend bemerkt Sennett, den größten Stolz auf die eigene Arbeit empfinde der Handwerker im Blick auf die Fertigkeiten, die sich einem Reifungsprozess verdanken. Deshalb biete reine Nachahmung keine Befriedigung; eine Fertigkeit müsse sich entwickeln, und so sei gerade die Langsamkeit der Zeit im Handwerk, die Reflexionen und Phantasie zulassen, Quelle der Befriedigung. Damit läuft Sennetts Argumentation darauf hinaus, Arbeit möglichst losgelöst von wirtschaftlichen Zwängen zunächst als subjektive Aufgabenstellung zu begreifen, um sich so rein wirtschaftlichen Zwängen entziehen zu können − Gedankengänge, die es besonders für den Designbereich zu berücksichtigen gilt, der sich in unserer westlichen Konsumgesellschaft immer stärker in einen rein ökonomischen Arbeitsbegriff eingebunden sieht.
Richard Sennett: Handwerk.
Aus dem Amerikanischen von Michael Bischof. Berlin Verlag,
Berlin 2008, 432 S., geb. 22 € (ISBN 978-3-8270-0033-0)