GfDg-Jahrestagung im Staatlichen Textil- und Industriemuseum (tim)
Textilien des Erfolgs: das Design leistungssteigernder Bekleidung in Sport, Beruf und Freizeit
Bei der Gestaltung von Bekleidung für den (Spitzen-)Sport, für extreme Witterungsverhältnisse oder für spezifische Anforderungen der Arbeitswelt sind Materialeigenschaften, Verarbeitungsform, Produktionsweisen und eingesetzte Gestaltungsmittel strukturell miteinander verwoben. All dies wird unter dem Begriff „Funktionsbekleidung“ subsumiert – eine Bezeichnung, welche die allgemeine „Anziehsache“ durch die besondere Qualität einer Funktion spezifiziert. Zwar ist das Tragen von Kleidung niemals Selbstzweck, sondern immer mit Aufgaben verbunden, z. B. den Menschen zu verhüllen, zu wärmen, vor Blicken und äußeren Einflüssen zu schützen. Bei Funktionskleidung kommt aber zu dieser grundsätzlichen Aufgabe der Gedanke einer Leistungssteigerung hinzu. Weite Teile des gesellschaftlichen Lebens und gerade der Sport stehen heute, so scheint es, unter dem Imperativ der „Performance“.
Funktionsbekleidung hat sich längst aus der Nische des Spitzensports heraus zum Massenmarkt hin entwickelt. Zudem blickt das Design optimierender Kleidungsstücke ungeachtet der Aktualität auf eine umfassende Historie zurück. Man denke an die ersten Sportschuhe mit Leinenschaft und Gummisohle aus den 1860er-Jahren, den Bekleidungsmix der norwegischen Polarexpeditionen um 1900, den Overall für die Wartung von Dampflokomotiven oder an die Brandschutzkleidung der Feuerwehr. Alleine diese Beispiele zeigen, dass sich seit Beginn der Moderne ein weiter Bogen spannen lässt zwischen Funktion und Aussehen, technischer Entwicklung sowie dem Diffundieren in andere Bereiche.
Im Sport sind Symbolkraft und identitätsstiftende Eigenschaften der Wettkampfausstattung bei internationalen Wettkämpfen wichtig, um Werte, Haltungen und ein nationales Selbstverständnis visuell zu vermitteln. Dies hat zur Folge, dass Sportbekleidung nicht nur von Athlet/innen getragen wird, sondern auch in Bereichen vom Hobbysport bis zur Fankultur zu einem zentralen Symbol geworden ist. Für die Anhänger/innen von Sportstars und Vereinen treten die leistungssteigernden Eigenschaften der Kleidungsstücke häufig in den Hintergrund – wichtig ist vielmehr die gemeinschaftsbildende und identitätsstiftende Funktion, die das Segment für die Hersteller zu einem Milliardengeschäft gemacht hat.
Ähnliches gilt für die Gestaltung von Uniformen oder Berufsbekleidung. Sie dienen nicht nur dem Schutz oder sind im Bereich der Tarnung auf das Verwischen der Konturen der Träger/innen hin angelegt. Sie markieren häufig ebenso Zugehörigkeit und Status, sorgen hier also für Sichtbarkeit und Wiedererkennbarkeit, markieren das Selbstverständnis der jeweiligen Organisation und sollen nicht zuletzt beim Gegenüber eine Wirkung erzeugen, die von Respekt bis hin zur Einschüchterung reichen kann. Auch diese funktionsbezogene Bekleidungsform findet sich abseits der ursprünglichen Einsatzbereiche im Alltag und wird unter modischen Aspekten rezipiert und gestaltet – Jeans und Militär-Look illustrieren das beispielhaft.
Die Gesellschaft für Designgeschichte widmet ihre kommende Jahrestagung dem Feld der Funktionsbekleidung. Von designhistorischem Interesse sind Entwicklungen in der Stoffproduktion von der Webtechnik über Kettengewirke und Formstrick bis hin zu Oberflächenveredelungen und Beschichtungen, wenn diese neue Eigenschaften und Gestaltungsmöglichkeiten hervorbrachten. Gleiches gilt für Innovationen, die durch Schnittmuster, Fügetechniken sowie die Kombination verschiedener Materialien und Charakteristika entstanden sind oder durch das Erkennen neuartiger Bedürfnisse und Trageformen zum Erfolg geführt haben. So wurde im Schwimmen und Skispringen die Forderung der Funktionalität derart „übererfüllt“, dass Spitzensportler/innen aufgrund ihrer Bekleidung von Wettbewerben ausgeschlossen und einschränkende Reglements nötig wurden.
Wir interessieren uns also weniger für die Verbindlichkeit des Vorübergehenden (Esposito), den performativen Charakter des Modehandelns oder Aspekte des Modekörpers (Lehnert). Vielmehr geht es darum, Aufgabenstellungen, funktionsbezogene sowie technische Parameter, deren Übersetzung in einen seriellen Herstellungsprozess, eine neuartige Konfiguration oder Zeichenhaftigkeit zu untersuchen, chronologisch darzustellen und in historische Kontexte und Bedeutungen einzuordnen. Branchen, Unternehmen, Gestaltungspersönlichkeiten und Designentscheidungen stehen dabei ebenso im Fokus wie technische, gesellschaftliche oder ökonomische Rahmenbedingungen und deren Einflüsse auf konkrete Problemlösungen.
Die Jahrestagung findet am 14. und 15. Juni im Staatlichen Textil- und Industriemuseum (tim) in Augsburg statt. Das 2010 eröffnete Haus erschließt unter dem Motto „Mensch – Maschine – Mode“ die reichhaltige Kulturgeschichte der bayerischen Textilindustrie, in der auch Designgeschichte eine wesentliche Rolle spielt. Mit Themen wie textile Nachhaltigkeit oder High-Tech-Textilien richtet das tim auch den Blick in die Welt von morgen. Zudem hat sich das Haus als prominenter Ausstellungsort für Textilkunst etabliert. Fashionshows und Konzerte runden das Profil des vitalen Kulturorts ab. Das tim wurde bereits mehrfach mit internationalen Museums- und Designpreisen ausgezeichnet.
Haben Sie eine Idee zu einem Beitrag für die Tagung? Dann freuen wir uns auf Ihren Abstract mit bis zu 3.500 Zeichen, eine Kurzbiografie von maximal 800 Zeichen und Ihre Kontaktdaten (samt Telefonnummer) bis zum 29.02.2024 an: cfp@gfdg.org. Eine Beteiligung als Referent/in umfasst einen Vortrag mit maximal 20 Minuten Länge sowie die Publikation des Beitrags im Sammelband „GfDg Schriften 8“.
Visual:
Abbildung mit freundlicher Genehmigung der Firma Schöffel
Design Luca Marie Schönfeld
>> zur Website Staatliches Textil- und Industriemuseum (tim) Augsburg