Eine Kooperation der Gesellschaft für Designgeschichte mit designaustria und dem Louis L. Lepoix-Archiv e.V.
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Designhistorische Publikationen zum französischem Industriedesign sind rar gesät. Fast wirkt es so, dass es zwischen Raymond F. Loewy und Philippe Starck kein französisches Industriedesign gab, was natürlich nicht stimmt und spätestens 2016 durch die Publikation von Claire Leymonerie „Le temps des objets. Une histoire du design industriel en France (1945-1980)“ widerlegt wurde.[1] Dennoch konstatierte auch sie eine bemerkenswerte Zurückhaltung der Designgeschichte gegenüber diesem Thema. Freilich fehlten im Frankreich einflussreiche Schulen wie das Bauhaus in Weimar oder die Hochschule für Gestaltung in Ulm, deren funktionalistischer Ansatz in den intellektuellen Debatten rund um Roland Barthes und Jean Baudrillard in Frankreich kritisch reflektiert wurde. Hinzu kommen das Beharrungsvermögen der dem Interieur zugewandten Arts décoratifs und die kaum ausgebildeten, schwachen Organisationstrukturen des französischen Industriedesigns. Lediglich das französische Mode- und Automobildesign fanden international Beachtung, wie auch ein Blick in den Tagungsband der paneuropäischen Ausstellung Forum Design in Linz (27. Juni bis 5. Oktober 1989) offenbart.[2] Dies führte den Designhistoriker Jocelyn de Noblet und Bewunderer der „école allemande“ bereits 1973 zu der übertrieben negativen Aussage: „Il n’y a pas de design en France, il n’y que de brillantes individualités isolées [Es gibt kein Design in Frankreich, sondern nur vereinzelte brillante Individualisten].“[3]
Einer dieser Individualisten war der französische Designer Louis L. Lepoix (1918-1998), den es im Rahmen einer Ausstellung und Tagung in Wien im Dezember 2023 wiederzuentdecken gilt. 1947 gründete der von Raymond Loewy beeinflusste Lepoix wegen mangelnder Aufträge aus der französischen Industrie ein Designstudio in Deutschland, das später unter dem Namen FTI Design (kurz für: Form Technic International) mit Sitz in Baden-Baden (ab 1952) und Filialen in Paris (1956-1983) und Barcelona (1965-1977) bekannt wurde.[4] In der Folgezeit wurde er für zahlreiche namhafte (insbesondere deutsche, aber auch französische und österreichische) Industrieunternehmen tätig und gestaltete deren Investitionsgüter (LKW, Baumaschinen, Traktoren usw.) aber auch zahlreiche Alltagsgegenstände wie Automobile, Fernsehgeräte, Feuerzeuge, Gehhilfen, Möbel, Motor- und Fahrräder, Parkuhren, Plattenspieler, Radiogeräte, Schreibmaschinen und Türbeschläge. Zu seinen bekanntesten Entwürfen zählen der Bugatti 101 (1952), die Kienzle-Parkuhr (1956), das BIC Einhandfeuerzeug (1971), die klassische Unterarmstütze der Ortopedia-Gehilfe (1977) und der FZR Servierwagen „Side-car“ (1979). Zahlreiche dieser Entwürfe erwiesen sich als ausgesprochen langlebig. Das ursprünglich für Flaminaire entworfene BIC-Feuerzeug wird sogar heute noch produziert. Unter dem Eindruck der Ölkrise wandte sich Lepoix dem ökologischen Design zu. Für die Mobilität im Stadtverkehr entwarf er den Kleinwagen URBANIX (1972) sowie zahlreiche, fantastisch anmutende Windkraft- und Solaranlagen. Ende der 1970er Jahre formte er zusammen mit zahlreichen unabhängigen Partnern in Lyon, Toulouse, Straßburg, München, Antwerpen und Kopenhagen die FTI-design-Gruppe und übernahm mit seiner inhouse-Grafikdesign-Abteilung deren zentrales Marketing. Das Agenturmodell erwies sich jedoch nicht als wirtschaftlich tragbar und so wurde die FTI-design-Gruppe wieder aufgelöst und das Büro in Paris 1983 geschlossen. Fortan konzentrierte sich Louis L. Lepoix auf seine Wirkungsstätte in Baden-Baden. Bis zu seinem Tode 1998 wurden seine Entwürfe mit über 300 internationalen Designpreisen ausgezeichnet und bereits zu Lebzeiten wurde 1984 der FZR Servierwagen „Side-car“ in die Sammlung des Museums of Modern Art aufgenommen. Bezeichnenderweise listet die Datenbank der französischen Designmuseen Les Collections Design dagegen keinen einzigen Entwurf von Louis. L. Lepoix auf und dies obwohl er auch Präsident der 1969 gegründeten Association française des designers und der Chambre syndicale des esthéticiens industriel von 1970 bis 1973 war.[5]
Es wird also Zeit den internationalen Einfluss des französischen Industriedesigns am Beispiel von Louis L. Lepoix wiederzuentdecken. Zum Kundenkreis zählten nicht nur deutsche und französische Unternehmen sondern auch österreichische Unternehmen wie Steyr-Puch und Jenbacher. Gesucht werden Beiträge, die das Werk von Louis L. Lepoix kontextualisieren. Die Referent:innen der Tagung werden in ihrer Recherche durch das Lepoix-Archiv in Baden-Baden fachlich unterstützt und erhalten Zugang zum Archiv (digital & analog). Die Tagung findet am 8. Dezember 2023 in Wien statt. Veranstalter der Tagung ist designaustria (www.designaustria.at/). Kooperationspartner sind die Gesellschaft für Designgeschichte (www.gfdg.org) und das Lepoix-Archiv (www.lepoix-archiv.com). Vom 7. Dezember 2023 bis zum 11. Februar 2024 zeigt designaustria die Sonderausstellung „Louis Lucien LEPOIX. Mit dem Citybus zur Windturbine“.
Um am Call for Papers für die Tagung teilzunehmen, reichen Sie bitte einen Abstract in Deutsch oder Englisch (400 bis 500 Wörter) und eine Vita (max. 200 Wörter) über die Website www.lepoix.info ein. Hier finden Sie auch viele weitere Informationen rund um Louis L. Lepoix sowie Ausstellung und Konferenz in Wien.
Einreichungsfrist ist der 31. August 2023.
Leitfaden für die Einreichung
- Die Tagung wird in deutscher und englischer Sprache abgehalten.
- Mit der Einreichung Ihres Abstracts garantieren Sie, dass Sie das Recht haben, den Inhalt zu präsentieren und einzureichen.
- Die Präsentation dauert 20 Minuten + 10 Minuten für eine Diskussion.
- Jedes Abstract wird von mindestens vier Fachgutachtern geprüft. Die Begutachtung erfolgt auf anonymer Basis.
- Die Einreicher erhalten eine Ermäßigung von 50 % auf die Konferenzgebühr.
- Der/die Autor(en) des angenommenen Beitrags müssen sich bis zum 15. Oktober 2023 für die Konferenz anmelden.
- Der Veranstalter prüft ob eine Übernahme der Reisekosten von Deutschland, Frankreich und Österreich in Höhe einer Bahnfahrt zweiter Klasse und einer Übernachtung in Wien möglich ist.
Call for Papers: Rediscovering French industrial design with Louis L. Lepoix (1918-1998)
Design history publications on French industrial design are few and far between. It almost seems as if there was no French industrial design between Raymond F. Loewy and Philippe Starck, which is not true, of course, and was confirmed at the latest in 2016 by Claire Leymonerie’s publication “Le temps des objets. Une histoire du design industriel en France (1945-1980)”. Nevertheless, she also noted a remarkable reticence of design history towards this topic. Admittedly, France lacked influential schools such as the Bauhaus in Weimar or the Hochschule für Gestaltung in Ulm, whose functionalist approach was critically reflected in the intellectual debates surrounding Roland Barthes and Jean Baudrillard in France. In addition, there is the persistence of the Arts décoratifs, which were oriented towards interiors, and the barely developed, weak organisational structures of French industrial design. Only French fashion and automobile design attracted international attention, as a glance at the proceedings of the pan-European exhibition Forum Design in Linz (27 June to 5 October 1989) reveals. This led the design historian Jocelyn de Noblet and admirer of the “école allemande” as early as 1973 to the exaggeratedly negative statement: “Il n’y a pas de design en France, il n’y que de brillantes individualités isolées [There is no design in France, only isolated brilliant individualists].”
One of these individualists was the French designer Louis L. Lepoix (1918-1998), who is to be rediscovered at an exhibition and conference in Vienna in December 2023. In 1947, due to a lack of orders from French industry, Lepoix, who was influenced by Raymond Loewy, founded a design studio in Germany, which later became known as FTI Design (short for: Form Technic International) with its headquarters in Baden-Baden (from 1952) and branches in Paris (1956-1983) and Barcelona (1965-1977). He subsequently worked for numerous well-known industrial companies (especially German, but also French and Austrian) and designed their capital goods (trucks, construction machinery, tractors, etc.) but also numerous everyday objects such as automobiles, television sets, lighters, walking aids, furniture, motorbikes and bicycles, parking meters, record players, radios, typewriters and door fittings. His best-known designs include the Bugatti 101 (1952), the Kienzle parking meter (1956), the BIC one-hand lighter (1971), the classic Ortopedia walker forearm support (1977) and the FZR „Side-car“ serving trolley (1979). Many of these designs proved to be extremely durable. The BIC lighter originally designed for Flaminaire is even still in production today. Under the impression of the oil crisis, Lepoix turned to ecological design. For urban mobility, he designed the small car URBANIX (1972) as well as numerous, fantastic-looking wind power and solar systems. At the end of the 1970s, together with numerous independent partners in Lyon, Toulouse, Strasbourg, Munich, Antwerp and Copenhagen, he formed the FTI-design group and took over its central marketing with his in-house graphic design department. However, the agency model did not prove to be economically viable and so the FTI-design group was dissolved again and the office in Paris closed in 1983. From then on, Louis L. Lepoix concentrated on his place of work in Baden-Baden. Until his death in 1998, his designs were awarded more than 300 international design prizes and in 1984, during his lifetime, the FZR serving trolley „Side-car“ was included in the collection of the Museum of Modern Art. Significantly, however, the database of the French design museums Les Collections Design does not list a single design by Louis. L. Lepoix, even though he was president of the Association française des designers, founded in 1969, and of the Chambre syndicale des esthéticiens industriel from 1970 to 1973.
So it is time to rediscover the international influence of French industrial design using the example of Louis L. Lepoix. The clientele included not only German and French companies but also Austrian companies such as Steyr-Puch and Jenbacher. We are looking for contributions that contextualise the work of Louis L. Lepoix. The speakers at the conference will be supported in their research by the Lepoix Archive in Baden-Baden and will have access to the archive (digital and analogue). The conference will take place on 8 December 2023 in Vienna. The organiser of the conference is designaustria (www.designaustria.at). Cooperation partners are the Society for Design History (www.gfdg.org) and the Lepoix Archive (www.lepoix-archiv.com). From 7 December 2023 to 11 February 2024, designaustria will present the special exhibition „Louis Lucien LEPOIX. With the Citybus to the Wind Turbine“.
To participate in the Call for Papers for the conference, please submit an abstract in German or English (400 to 500 words) and a vita (max. 200 words) via the website www.lepoix.info. Here you will also find a lot of other information about the Louis L. Lepoix as well as the exhibition and conference in Vienna.
Deadline for submission is 31 August 2023.
Submission Guide
– The conference will be held in German and English.
– By submitting your abstract you guarantee that you have the right to present and submit the content.
– The presentation will last 20 minutes + 10 minutes for discussion.
– Each abstract will be reviewed by at least four peer reviewers. The reviewing will be done on an anonymous basis.
– Submitters will receive a 50% discount on the conference fee.
– The author(s) of the accepted paper must register for the conference by 15 October 2023.
– The organiser will check whether it is possible to cover the travel costs from Germany, France and Austria in the amount of a second-class train journey and an overnight stay in Vienna.
[1] Leymonerie, Claire: Le temps des objets. Une histoire du design industriel en France (1945-1980), St.-Etienne 2022 (EA 2016).
[2] Gsöllpointner, Helmuth, Angela Hareiter und Laurids Ortner (Hrsg.): Design ist unsichtbar, Wien 1981.
[3] Zit. nach Leymonerie, S. 9. Interessanterweise blendete de Noblet dabei auch das Wirken und den Einfluss von Raymond Loewy aus, den er als Stylisten ablehnte. Ebd. S. 247-248.
[4] Vgl. zum Wirken von Louis L. Lepoix Leymonerie, S. 278 und Louis L. Lepoix und Erika Kübler: 50 Jahre technische Ästhetik /50 ans d’Esthétique Technique: Louis L. Lepoix Industrie Designer, Lepoix System, Baden-Baden 2003.
[5] Es findet sich zwar das BIC Einhandfeuerzeug, jedoch kein Hinweis darauf, dass das von Flaminaire übernommene Design ursprünglich von Lepoix stammt. https://www.lescollectionsdesign.fr/ [18.05.2023]; Lepoix/Kübler, S. 274-275.