Daniel J. Huppatz: Design – The Key Concepts

Eine Designgeschichte von down under

Rezension von Bernhard E. Bürdek

Über das Design in Australien ist hierzulande wenig bekannt. D.J. Huppatz, der an der Swinburne University of Technology lehrt (wo auch Ken Friedman lange Jahre tätig war) legt jetzt eine Designgeschichte vor, die sich weniger an den Produkten orientiert, als vielmehr an den „topics“, die diese bestimmt haben. Er nennt es „Design: The Key Concepts“: Dazu gehören Graphic, Industrial, Interactive, Interior, Service and Systems Design. Insgesamt sind es rund vierzig Themenbereiche, die er akribisch beschreibt, und die damit eine wichtige Erweiterung designgeschichtlicher Diskurse darstellen. Dabei geht es ihm auch um „interconnections“ dieser Bereiche, die die aktuellen Tätigkeitsfelder von Designern beschreiben. Insgesamt sollen damit die konventionellen Wege von Design überwunden werden. Im Vordergrund steht der Gedanke, daß sich das Design von der Gestaltung materieller Produkte hin zum Service Design verändert, also hin zur Gestaltung der Nutzung von Produktsystemen und den sich verändernden Infrastrukturen.

Das Buch gliedert sich in sechs Themenbereiche: Information, Things, Interaction, Systems and Services, Experiences und Strategien. Im Einzelnen beschreibt er:

Things
An der Schnittstelle von Design, Engineering, Marketing und Produktion entwickeln sich neue komplexe und kollaborative Prozesse. Huppartz bezieht sich auf die Tatsache, daß Produkte funktional und bedeutungsvoll sind, eine Tatsache, die auch hierzulande (zumindest partiell) erkannt wird. Mit dem Vokabular der Dinge werden soziale oder kulturelle Bedeutungen kommuniziert, eine zunehmend bedeutsamer werdende Rolle des Designs. Roland Barthes hat dafür wichtige Grundlagen geschaffen und Apple praktiziert dies überaus erfolgreich. Die einstmals schlichten und robusten Denim Jeans sind zu Zeichen ihrer Träger mutiert. So sind Möbel eben primär bedeutungsgeladen und kommunizieren an die jeweiligen Umwelten über ihre Benutzer. Huppatz zeigt dies sehr anschaulich an Marc Newson´s Doba Lounge Chair oder den weltweit verbreiteten Monoblock-Stühlen. Produktionsprozesse und damit auch die Bedeutungen der Produkte verändern sich rasant, heute ist die Biofabrikation angesagt, eine Resultat sich verändernder gesellschaftlicher Haltungen.

Interaction
Mit Beginn der Digitalisierung in den 1980er Jahren wurde das Thema Interaktion relevant. Designer haben sich schon früh diesem Thema angenommen. Kollaboration und Komplexität der Produkte haben rasant zugenommen, in Kooperation mit Psychologen, Linguisten und Anthropologen. So wurde 1982 das XEROX Star System ein erstes Beispiel gelungener Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Die „desktop Metapher“ hat mannigfaltige Produktwelten verändert. Der Macintosh 1984 wurde zum Leitbild und beinflusste mit dem Einsatz von Mouse und Graphical User Interfaces zahlreiche Produktbereiche. Bill Moggride und Bill Verplank haben den Boden für diese neuen Arbeitsfelder der Designer bereitet, die große Bedeutung erhalten haben. Der Begriff der „Affordances“ (Selbsterklärung) bestimmt mannigfaltige Produktbereiche. Die heute weit verbreitenden „touch screens“ sollen die intuitiven Bedienungen der Produkte erleichtern. So sind es Sprach- oder Gesten gesteuerten Interfaces, die unseren Umgang mit den Produkten erleichtern helfen. Aber auch die Softwareprodukte haben sich massiv verändert, von den kryptischen Benutzungsoberflächen hin zu intuitiven Nutzungskonzepten. Dieses Thema ist in der Designgeschichte wahrlich kaum behandelt worden. Die Roboterisierung der Produktionsfelder schreitet massiv voran, auch dabei geht es um Interfaces.

Systeme und Services
Produkte sind eingebettet in die Bedingungen von Produktion, Distribution und Konsumption. Huppatz beschreibt das „System“ IKEA als Beispiel dafür, wie Produkte in Systeme und Services eingebunden sind. Und es geht um Gestaltung von Lebensstilen was durchaus anthropologische Fragestellungen sind. Social Design – ernsthaft betrieben – trägt zur Lösung gesellschaftlicher Defizite bei, eine überaus relevante Problemstellung für das Design. Noch weiter gefaßt sind es politische Fragestellungen, zu denen Designer durchaus zielführend Lösungen beitragen können.

Experiences
Um die Bedürfnisse von Nutzern zu verstehen beschreibt Huppatz diverse Methoden wie die emotionalen Faktoren erforscht werden können: Prototyping, Iteration, user scenarios ermittelt durch Interviews, Alltagsstudien etc. Dabei werden Kooperationen mit Psychologen, Soziologen oder Anthropologen eingegangen, die den Horizont von Designern fundiert erweitern können. „Design for experience“ geht weit über das Entwerfen von Produkten hinaus. Produkte werden nicht nur wegen ihrer Nützlichkeit erworben, sondern weil sie die Gefühle ansprechen. Bezugnehmend auf N.J. Schifferstein („Product Experience“, 2007) beschreibt er, daß es zuerst um die ästhetischen Erfahrungen geht, die Produkte bieten, dann um deren funktionalen Nutzen und schließlich um die expressiven, symbolischen oder gar mythologischen Erfahrungen, die von den Benutzern gewonnen werden. Stefano Marzano (Ex-Philips Design Chef) beschrieb den Wandel von einer technology-driven hin zu einer user-centered Design Philosophie, ein Paradigmenwechsel, der die heutigen Produktentwicklungen treffend kennzeichnet. So sind die Apple Verkaufsräume Formen einer entmaterialisierten Architektur. Produkte, Services und Environement erschaffen ganzheitliche Nutzererfahrungen, die die sinnlichen Botschaften des Unternehmens kommunizieren.

Strategien
Beispiele für diese Neuorientierung im Design sind Unternehmen wie IDEO oder frogdesign, bei denen das Produktdesign nicht mehr im Mittelpunkt steht, vielmehr sind es Services und Designlösungen auf strategischer Ebene. Aber auch Unternehmen wie Samsung (mit heute 1.600 beschäftigten Designern weltweit) haben längst die strategische Bedeutung von Design erkannt. Mit Designzentren in London, Los Angeles, San Francisco, Tokio und Shanghai ist Samsung zu einem globalen Player geworden.

Policy
Regierungen, wie beispielsweise in Dänemark, haben die strategische Bedeutung von Design erkannt. Auch dabei kommen Methoden wie design research und visualization zur Anwendung. Prototypenentwicklung,  Szenariobildung oder user journey maps sind dabei überaus nützliche Werkzeuge. Designer sind in der Lage, Graphiken, Produkte, Services und Systeme zu gestalten, die auch die öffentlichen Bereiche voranbringen.

Fazit
Dieses Buch ist eine Fundgrube. Anhalt mannigfaltiger Beispiele zeigt D.J. Huppatz die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis im Design auf. Er ist damit absolut auf der Höhe der Zeit, Design ist schon lange kein funktionales Gebilde mehr, die enge Verbindung zur Ästhetik und Symbolik wird an vielen Stellen thematisiert. Seine Rückgriffe auf historische Beispiele führen zu einer überaus aktuellen Interpretation von Design. So gab es bisher keine Designgeschichte, man wünschte sich eine Fortsetzung.

(London – New York – Oxford – New Delhi – Sydney 2020, Verlag Bloomsbury Publishing Plc., ISBN 978–1–3500–6815-5)

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