Rezension von Bernhard E. Bürdek
Designgeschichte ist nun nicht gerade ein Bereich, in dem über vielfältigen publizistischen Ereignissen zu berichten wäre, insbesondere in Deutschland sind solche wahrlich rar. Ganz anders im spanischen Sprachraum. So wurde 2006 in Barcelona die Fundación Historia del Diseño gegründet, die jetzt mit einer ersten Publikation an die Öffentlichkeit tritt. Autoren wie Isabel Campi und Anna Calvera (Barcelona), die im spanischen Sprachraum über eine hohe internationale Reputation verfügen, Osacar Salinas von der UAM in México oder Guy Julier (Universität Leeds) entfalten in diesem Buch ein respektables Spektrum designhistorischer Texte, denen man sich wünschen würde, dass sie auch einmal in deutscher Sprache erscheinen würden. Auffällig bei der Lektüre der Texte ist beispielsweise, dass der deutsche Sprachraum gerade einmal mit dem Werkbund, dem Bauhaus sowie der HfG Ulm Erwähnung findet.
Oscar Salinas entfaltet eine exzellente Entwicklungsgeschichte des Produkt Designs, in der er insbesondere die sie begleitenden Diskurse in Form von Publikationen darstellt, die im spanischen Sprachraum dazu über Jahrzehnte hinweg erschienen sind. In ähnlich fundierter und Weise macht dies Raquel Pelta für das Grafik Design, das ja insbesondere in Lateinamerika eine bedeutendere Rolle als das Produkt Design (nicht zuletzt mangels Industrialisierung) spielt.
Anna Calvera entfaltet die Designgeschichte entlang der industriellen Produktionsweisen, beginnend bei dem Porzellanhersteller Wedgewood. In der Ästhetisierung der Warenwelt sieht sie die Dynamik und Erfolgsgeschichte von Design. Insbesondere die englische Tradition (Henry Cole, Morris & Co, Dresser u.a.m.) spielt dabei eine bedeutsame Rolle. Aber auch in der Professionalisierung durch Institutionen, wie in Spanien beispielsweise dem BCD (Barcelona Centre de Disseny, dem FAD oder der BCN (Barcelona Design Week), spielt dabei eine wichtige Rolle.
Isabel Campi schildert in ihrer umfassende Darstellung die Geschlechterolle im Design und stellt die Bedeutung von Frauen im Design in einer globalen Sicht dar; in dieser Breite scheint mir dies bisher noch nie publiziert worden zu sein. Aber es bleibt fürwahr nicht nur bei der Geschichte des Designs: Guy Julier zeigt auf, wie sich das Design zu einem globalen Phänomen entwickelt hat und wie dabei nationale Identitäten gewahrt bleiben. Dass er dabei den iPod als califorinisches Design bezeichnet (S. 120) erscheint mir doch etwas fragwürdig. Und noch viel näher an der Gegenwart ist Viviana Narotzky, die die Veränderungen der materiellen Kultur (also insbesondere neuer Materialien) auf das Design beschreibt. Ein Abriss des katalanischen Designs (von Mireia Freixa) sowie über die Geschichte des Bügeleisens (von Concha Bayó) runden dieses wahrlich exzellenten Buches ab. Eine wirklich empfehlenswerte Lektüre, und das Spanische ist ja dafür auch eine phantastische Sprache.
Diseño e Historia
Tiempo, Lugar y Discurso
Barcelona 2010
D.R. Editorial Designio S.A.,
ISBN 978-9685852302