John A. Walker: Designgeschichte – Perspektiven einer wissenschaftlichen Disziplin

Rezension von Bernhard E. Bürdek

Im Zuge einer sich wissenschaftlich etablierenden Designgeschichte – jenseits der Geschichten um die Designer und deren Produkte, wie sie so gerne in Feuilletons oder Life-Style-Magazinen erzählt werden – soll an eine Publikation erinnert werden, die meines Erachtens in Deutschland viel zu wenig rezipiert wurde. John A. Walker war lange Zeit als Kunstkritiker tätig, lehrte bis zu seiner Emeritierung Ende der 1990er Jahre am Middlesex Polytechnic in London die Fächer Kunst- und Designtheorie sowie Designgeschichte.

Design beschäftigt sich laut Walker mit Stil und mit Nützlichkeit (also mit Bedeutung und Funktion), mit materiellen Artefakten und mit menschlichen Wünschen (also mit Objekten und Subjekten), mit den Bereichen Ideologie, der Politik und der Wirtschaft. Design-geschichte ist – natürlich möchte man heute sagen – Geistesgeschichte, die sich zum Ziel setzt, Design als gesellschaftliches und historisches Phänomen zu erklären. Mit dieser Position – so denke ich – befindet sich dieses Buch noch immer auf der Höhe der Zeit. Und was Wissenschaft ausmacht ist die Gesamtheit der Voraussetzungen: Begriffe, Theorien, Methoden und Werkzeuge. Darüber herrscht in der „scientific community“ Einigkeit, was man vom Design sich wirklich nur wünschen, denkt man beispielsweise an die Nebelwerfer, die sich mit ihren vermeintlich inter-, trans-, multidisziplinären Diskursen als schlichte Jongleure von Worten desavouieren. Design wird nur dann als (wissenschaftliche) Disziplin wahrgenommen, wenn es konsensuell ein Mindestmaß an Voraussetzungen definiert und akzeptiert!

Walker rekurriert dabei insbesondere auf den Begriff der Sprache und beschreibt als essentielle Grundlagen von Designgeschichte die Semiotik und die Linguistik: „Man kann also sagen, die Tätigkeit der Designer ist ein `diskursives Handeln´“ (S.25). Als Beispiel verweist er dazu auf Roland Barthes „Sprache der Mode“ (1967, dt. 1985), indem eine Meta-Diskursebene thematisiert wird, die sich gleichfalls als durchaus aktuell darstellt. Design und ganz besonders natürlich die Designgeschichte sind den Kulturwissenschaften zuzuordnen, womit natürlich auch eine deutliche Trennungslinie zu den mannigfaltigen kunstwissen-schaftlichen Versuchen gezogen wird, die zu der heute oftmals so unsäglichen Vermischung von Kunst und Design geführt haben.

Walker ist auch an der Stelle zuzustimmen, wo er sagt, dass jede neue wissenschaftliche Disziplin zuerst ihren Forschungsgegenstand genau bestimmen und die Grenzen ihres Fachgebietes abstecken müsse (S. 34). In bestimmten Ausprägungen von Designtheorie erlebt man momentan genau das Gegenteil: alles fließt, alles vermischt sich, am Ende bleibt das blanke Geschwätz. Und so warnt Walker auch zurecht vor der Gefahr, wenn es der Designgeschichte nicht gelänge, ihren Forschungsgegenstand präzise einzugrenzen, dass sie sich dann der Selbstlähmung aussetzen würde.

Und so arbeitet sich Walker kategorial an Begriffen wie Handwerk und Design, anonymes Design, Urheberschaft, Design und Marketing, Designobjekte etc. etc. ab, und es wirklich erstaunlich, wie ein Buch, das wohl vor rund zwanzig Jahren geschrieben wurde, absolut auf der Höhe der Zeit ist: „Bezeichnenderweise enthält auch das Wort Design den Bestandteil signum, das heißt Zeichen“ (S.77). Sein Hinweis auf Desmond Morris (1978) wird sicherlich auf besonderes Interesse stoßen, denn dessen Untersuchung über die weiblichen Rocklängen zwischen 1921 und 1977 zeigte ja eine erstaunliche Korrelation zwischen diesen und der wirtschaftlichen Gesamtsituation: „Wenn die Aktien steigen, steigt auch der Rocksaum, wenn sie fallen, fällt er mit ihnen“ (S. 113). Wir werden es demnächst ja wohl wieder sehen.

John A. Walkers Buch ist natürlich keine Designgeschichte, wie es diverse Kritiker bemängelt hatten. Vielmehr begründet es eine Disziplin, die im Werden ist. Und dass mir seine Kapitel über Semiotik (S. 169) sowie Stil, Styling und lifestyle (S.180f) besonders bedeutsam erscheinen, dürfte nicht verwundern, denn in der kommunikativen Funktion der Gegenstände und Produkte sieht nicht nur Walker den Kern einer disziplinären Designgeschichte bzw. Designtheorie. Das Buch ist übrigens noch immer im Handel erhältlich.

John A. Walker
Designgeschichte – Perspektiven einer wissenschaftlichen Disziplin.
München 1992