Rezension von Bernhard E. Bürdek
Quasi zum Abschluß seiner Lehrtätigkeit an der Fachhochschule zu Köln im Frühjahr 2013 legt Michael Erlhoff sein Vermächtnis an die Design Community vor. Zusammen mit Uta Brandes war er dort für die Bereiche Designtheorie und –forschung zuständig und beziehen an der KISD eine bemerkenswerte Position: Behaupten wir aus guten Gründen einfach, dass es eine in sich geschlossene Design-Geschichte und ebenso eine in sich ruhende Design-Theorie nicht gibt: Dann folgt daraus, dass es in diesem Arbeitsbereich allemal darum geht, unter der komplexen Perspektive von Design die Geschichte von Gestaltung mitsamt der von Wirtschaft, Kulturen, Wissenschaften, Techniken, Darstellungen, Architektur, Poesie, Kunst etc. als ein widersprüchliches Ineinander zu erörtern und zu erläutern – und die Design-Theorie eben im Kontext des Gesamt theoretischer Reflexionen(www.kisd.de/Studium/Lehrgebiete SS. 2013).
Sicherlich, so eindeutig und linear läßt sich Designgeschichte nicht darstellen, aber es ist unumstritten, daß es dabei um die Diskurse über die Gegenstände (Produkte), deren Gebrauch und Wirkungen dreht. Dies ist inzwischen auch internationaler Standard. Und auch die Wechselwirkung von Designgeschichte und Designtheorie ist unbestritten. Dazu gibt es etablierte Erkenntnistheorie und -methoden (insbesondere hermeneutische), wobei natürlich die Interpretation der Gegenstände – je nach Blickwinkel – durchaus unterschiedlich ausfällt. Aber gerade dies macht die Vielfalt der Diskurse aus.
Erlhoff verweigert sich all diesen Positionen und löst den Designbegriff vollständig auf: insbesondere der Begriff der „Unschärfe“ (zurückzuführen auf Werner Heisenbergs „Unschärfe-Relation“) hat es ihm angetan: unscharfe Begründungen, das ist sein allerliebste Domäne. So bleibt seine tour d´horizon eben auch reichlich unscharf, oder besser gesagt – beliebig. Im besten Sinne postmodern jongliert er durch das 20. Jahrhundert, vom Bauhaus, über die hfg ulm, die 1960er/70er/80er Jahre bis heute, und liefert durchaus eigensinnig Interpretationen zu den Produkten. Als langjähriger Herausgeber eines Kurt Schwitters Almanachs fühlt er sich der Dada-Bewegung eng verbunden: …“Dada. Da nämlich deuten sich Komplexität und Kompetenz davon an, was später Design genannt werden kann: Integration von Theorie und Praxis, konzeptuelle Analysen, avancierte Strategien…“ (S. 33). Welch ein waghalsiges Konstrukt und welch ein Mißverständnis von Design! Und so ist auch Erlhoffs Rekurs auf Kant (den er ja immer gerne macht) äußerst gebildet und profund, nur helfen dessen Ausführungen zur Ästhetik für die Gestaltungspraxis von heute auch nicht weiter. Überhaupt, so muß man sich fragen, hilft diese Designtheorie den armen Designern in der Praxis? Ich wage zu behaupten – eigentlich überhaupt nichts.
Und auch der historisch bedeutsame Ansatz, Design durch „Entwurf“ zu ersetzen, wird von Erlhoff zerredet. Architekten verstehen sich immer als Erzeuger materieller Realität, sie entwerfen und gestalten. In dieser Art von „Theorie des Designs“ wird mehr vernebelt als erhellt. Und es bleibt bei Proklamation, beispielsweise müsse man eine „neue intensive Reflexion der Oberfläche anstreben“, aber dies ist ja schon seit Jahren im Gange und es gibt dazu sowohl in der Architektur als im Design ernst zunehmende Forschungen und auch Publikationen, die man schon kennen sollte. Und so wundert auch nicht, daß Erlhoff die Legende vom „unsichtbaren Design“ (Lucius Burckhardt) weiter kolportiert, aber dieser so geschmeidige Begriff ist längst entlarvt: Design macht anschaulich, es visualisiert und es ist sichtbar, insbesondere im Kontext von globalen Ökonomien.
Design solle Prozesse statt Gegenstände formulieren, Schnittstellen beschreiben, Energien und Materialien einsparen usw. Da sind alles Griffe in die Mottenkiste der Theoriegeschichte. Und auch zur Designgeschichte vermag er den Lesern nur name-droping anzubieten, Hinweise Leute und deren Produkte eben, die er so kennengelernt hat, das ist und bleibt purer Subjektivismus. Eigentlich ironisiert er der die Designgeschichte gänzlich: die Gestaltung von Kondomen seit den 1980er Jahren nimmt er als Beispiel, um die gesellschaftlichen Veränderungen insbesondere nach den wilden 1968er Jahren darzustellen. Falsch ist das nicht, hilft aber auch nicht weiter.
Das gesamte Buch bleibt einfach egozentrisch und liefert keine wie immer gearteten neuen Erkenntnisse über das Design, seine Theorie geschweige denn seine Geschichte. Und so steht es auch in unmittelbarem Zusammenhang mit seinem larmoyanten Abschiedsbrief an die Design Community. Erlhoff wollte lebenslang Professor in Köln bleiben, aber das war selbst dem dortigen Fachbereich einfach zu viel. Immerhin hat er das Design selbst um eine neue Kategorie erweitert. “Design Dadaismus“ – und dies ist überaus verdienstvoll.