Plakat der Aussstellung "Talking Bodies"

Talking Bodies. Bild Macht Wirkung

Eine Rezension von Gerda Breuer zum Ausstellungskatalog herausgegeben von Bettina Richter, Museum für Gestaltung Zürich (Hg)

Konsumplakate aus der westlichen Medienkultur, ob analog als Plakate oder digital, ob Werbespots in den traditionellen Medien oder Posts in den Social media – sie sind omnipräsent in kapitalistischen Nationen, wo es um Aufmerksamkeit innerhalb einer Vielfalt an Warenangeboten geht.

Um für den Konsum bei einer möglichst breiten Konsumentenschaft zu werben, bedarf es der Bestätigung von Vertrautem und deshalb allzu oft von Stereotypen. Denn Veränderung von lieb gewonnenen Bildern stören und strengen an, der Denkprozess lenkt vom schnellen Konsum ab. Innerhalb der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ greifen Unternehmen und Designer*innen in kommerzieller Absicht aber auch zu Tabuverletzung, zu Überspitztem – kurz: es geht um das „Marktschreierische“, das man der Werbung von jeher zuschreibt. Das mag durchschaubar sein und nicht ernst genommen werden, aber die Bilder verweisen dennoch auf eine normative und diskriminierende empirische Wirklichkeit

Diese Bilder sind aber mehr: Sie wollen nicht nur reizen, sondern indem sie auf traditionelle Normen zurückgreifen – den ‚Idealkörper‘ beispielsweise – bestätigen sie Machtverhältnisse, in denen Ausschluss und Inklusion festgelegt sind: die Körper sind durchweg jung, attraktiv, weiss, hetero, gesund und sportlich. Insbesondere die binäre Geschlechterauffassung wird durch die meist sexualisierte Frau und den starken Mann, mit den damit einhergehenden sozialen Implikationen zementiert. Im Rahmen der Kontextualisierung von „class, ‚race‘ and gender“ und seinen Erweiterungen kommt auch der Ausschluss von Schwarzen Körpern ins Spiel, von hybriden Existenzen, Bildern weniger bekannter Ethnien, von LGBTQ, Armen, Alten, Kranken, behinderten Menschen –  Diversität wird in diesen Medien meist ausgeklammert.

In der Ausstellung „Talking Bodies. Körperbilder im Plakat“ im Museum für Gestaltung Zürich wird zur Zeit weitgehend mit Bildern aus der eigenen Sammlung auf diese Zusammenhänge aufmerksam gemacht. Um die Bilder jenseits von der Werbebotschaft zum Sprechen zu bringen, konfrontiert sie  Bettina Richter, die Leiterin der Plakatsammlung des Hauses und Kuratorin der Ausstellung, mit Kunstobjekten, die die Reflexion über die Bilder stimulieren sollen und kritische Positionen zu den stereotypen Bildern der Werbung einnehmen. Zwar ist Geschlecht, wissenschaftlich betrachtet, ein von ständigem Wandel gekennzeichnetes Gebilde – das zeigt auch der historische Rückblick – doch trägt Design aktiv zur diskursiven Hervorbringung von Geschlechteridentitäten, und deshalb auch Körpern, bei. Design spiegelt diese Dynamik, um die Konsument*innen zu erreichen. Den Eindruck beschreibt Richter resignativ: „Das Plakat als Projektionsfläche alltäglicher Sehnsüchte erweist sich dabei besonders resistent gegenüber gesellschaftlichem Wandel.“

Die Ausstellung wird begleitet von einem Katalogbuch, das einen nuanciert anderen Titel trägt: „Talking Bodies. Bild Macht Wirkung“ und das 2023 bei Lars Müller Publishers herausgekommen ist. In eigenständigen Aufsätzen mit höchst lesenswerten Autor*innenbeiträgen und unter Bezug auf wissenschaftliche Referent*innen von Michel Foucault über Stuart Hall, Annette Kuhn, Judith Butler u.v.m. werden die Wirkung und die Machtverhältnisse, die sich in den Körperbildern sedimentieren, beschrieben.

Der Schwarze Körper und seine Wirkung in der Werbung steht dabei im Vordergrund. Paula-Irene Villa läßt ihre Forschung, z.b. über Fat Studies, in ihren Beitrag einfließen, andere wie Florian Diener erweitern ihr Dissertationsthema, in diesem Fall über maskuline Körperbilder. Für Designer*innen besonders interessant dürfte der kleine Beitrag von Bettina Richter über das Diversity Management in der Werbung sein. Sofern eine bestimmte Haltung dem Absatz dient, wird sie be-dient – zumindest kommen Zweifel auf, wofür das vieldiskutierte Beispiel von Oliviero Toscani für Benetton in den 1980er Jahren stellvertretend steht. Doch eröffnen die Beispiele auch die Möglichkeit, visuelle Codes zu durchbrechen und sich an neue Sichten zu gewöhnen. Design kann als Bewusstseinsverstärker für aufklärerische Konzepte dienen, Archive können auf Kontinuität und Brüche hinweisen und Impulsgeber für die Reflexion neuer Diskurse sein.

Text: Gerda Breuer

Katalog: Bettina Richter, Museum für Gestaltung Zürich (Hg): Talking Bodies. Bild Macht Wirkung, Lars Müller Publishers 2023

Bestellmöglichkeit: >>lars-mueller-publishers.com