Impressionen der Jahrestagung

Über die Magie der Radiowellen

Bericht zur GfDg-Jahrestagung am 2. und 3. Juni 2023 in Mannheim

Die Tagung „100 Jahre Rundfunk“ fand vom 2. bis 3. Juni 2023 im TECHNOSEUM in Mannheim statt. Das Programm bot eine Vielzahl von Vorträgen, Diskussionen und Führungen, die einen umfassenden Einblick in die designhistorische Entwicklung des Massenmediums ermöglichten.

Vor Tagungsbeginn konnten die Teilnehmenden das Depot des TECHNOSEUMS mit den umfangreichen Sammlungen zur Rundfunkgeschichte oder das SWR-Studio Mannheim-Ludwigshafen besichtigen und so einen Eindruck über die technischen Hintergründe erhalten. Die Begrüßung durch den Vorstand der GfDg Prof. Dr. Schwer und Prof. Dr. Kurz eröffnete die Konferenz, dabei wurde auch der neu erschienene Tagungsband „Design für Spiel, Spaß, Spannung – Gestaltung von Artefakten zum spielerischen Handeln“, erschienen im Verlag avedition, präsentiert. Ein Grußwort des Direktors Prof. Dr. Gundelwein verknüpfte die Ziele des Museums und dessen Sammlungen mit dem Tagungsthema.

In seiner Einführung erläuterte Thilo Schwer die technischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die den regelmäßigen Programmbetrieb durch die Funk-Stunde AG und den Siegeszug des Mediums ermöglichten. Eine Chronologie der Entwicklungen beim Schwarzwälder Hersteller SABA zeichnete im Anschluss daran wichtige Stationen der Rundfunkindustrie Deutschlands nach. Michael Siebenbrodt widmete sich vielfältigen Berührungspunkten zwischen dem Bauhaus und dem neuen Medium. Unterschiedliche Beispiele belegten, wie die technischen und inhaltlichen Möglichkeiten des Rundfunks gestalterisch in Skulpturen, Grafiken, der Malerei und der Fotografie aufgegriffen und umgesetzt wurden. Anhand des Senders Frankfurt analysierte Grit Weber, wie die Rundfunkpioniere Hans Flesch und Ernst Schön zwischen 1924 und 1929 die Potenziale des Hörfunks im Rahmen der Programmgestaltung ausgelotet hatten. Zentral für die Experimentierfreude im Neuen Frankfurt waren Netzwerke prominenter Persönlichkeiten, die sich künstlerisch mit Formaten und Ausdrucksmöglichkeiten auseinandersetzten, gewesen.

Die Zeitschrift Innendekoration hatte Ende der 1920er Jahre in verschiedenen Essays den Einfluss von Rundfunkmöbeln auf die Wohnkultur reflektiert. Andreas Zeising entfaltete aus diesen Texten das damalige Ringen um eine Einordnung der Bedeutung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, Individuation und Masse, Ortsgebundenheit und Entgrenzung. Hartmut Jatzke-Wigand griff im Anschluss daran herausragende Geräte aus den Jahren 1924–2012 heraus. Diese hatten Umschlagphasen markiert, welche durch technische sowie gestalterische Innovationen eingeleitet worden sind und grundlegend neue Entwicklungswege eröffnet hatten. Lutz Hieber und Wolfgang Mathis untersuchten das Programmdesign und die Marketing-Konzepte aus der Frühzeit des Mediums. An ihnen wurde deutlich, dass zunächst ein dauerhaftes Interesse am Rundfunkhören etabliert werden musste, bevor das Radio zum Massenmedium avancieren konnte. Linus Rapp widmete sich am Ende des ersten Tages dem neuen Gebäudetypus ‚Fernsehturm‘. Dieser ist in der Nachkriegszeit als Bildmotiv oder abstrahiertes Zeichen im Städtemarketing eingesetzt worden, um Modernität und einen weltstädtischen Charakter zu vermitteln.

Zu Beginn des zweiten Konferenztages führte die Kuratorin Anke Keller durch die Sonderausstellung „Auf Empfang!“, die in drei Strängen – Technologie, Sendebetrieb, Rezipierende – die Geschichte des Rundfunks mit vielen Exponaten und Schaubildern lebendig werden ließ. In ihrem Vortrag berichtete sie von logistischen und organisatorischen Herausforderungen bei der Übernahme großer Objektbestände. Denn das TECHNOSEUM hatte 2014 die historisch-technischen Bestände des Deutschen Rundfunkarchivs und des Südwestrundfunks mit über 7000 Einzelobjekten übernommen. Wie Technologiesprünge zu disruptiven Momenten in der Designpraxis geworden sind, verdeutlichte Kilian Steiner am Übergang vom Röhren- zum Flachbildschirm. Nach 80 Jahren war das Designteam bei Loewe vor die Aufgabe gestellt worden, eine neue Formensprache für den nun fast flächigen Apparat zu entwickeln. Rudolf Inderst ging den Schritt vom dreidimensionalen Körper zur zweidimensionalen Bildfläche noch weiter, hin zum körperlosen Medium. Das Phänomen Radio und seine erzählerische Bedeutung im Gamedesign zeigte die Remediation auf unterschiedlichen Ebenen.

Vorträge, Ausstellungen, Exponate und Diskussionen stellten bei der Fachtagung in Mannheim die Bedeutung des 100-jährigen Massenmediums heraus. Auf den Hörsinn fokussiert, entstehen beim Radiohören in der Fantasie der Rezipierenden Bilder. Wird der Hörgenuss in den Alltag integriert, kann der Konsum geeigneter Programme die Welt in die unmittelbare Umgebung holen. Heute wie damals sind das eindrucksvolle Erlebnisse, die durch gestalterische Mittel mit geformt werden.

Fotos: Melanie Kurz und Thilo Schwer