Heute vor 75 Jahren, am 6. August 1945, wurde auf Hiroshima eine Atombombe abgeworfen und veränderte das Leben der japanischen Bevölkerung auf dramatische Weise.
Aus designhistorischer Perspektive denkt man an diesem Tag auch an Wim Crouwels Plakat, das 1957, nur zwölf Jahre nach dem Angriff auf Hiroshima, die gleichnamige Ausstellung im niederländischen Stedelijk Van Abbemuseum ankündigte.
Gezeigt wurden bei dieser Veranstaltung die sogenannten Hiroshima Panels des Künstlerpaars Iri Maruki und Toshiko Akamatsu. Als Augenzeugen der unmittelbaren Folgen des Atomangriffs war es ihnen zunächst unmöglich, das in Hiroshima Gesehene festzuhalten, weshalb sie ihre Bilder erst ab Ende der 1940er Jahre und auf Grundlage ihrer Erinnerungen zu erstellen begannen. In Schwarz, Grau und Rottönen führen die in der Tradition japanischer Tuschezeichnungen gefertigten Darstellungen die Brutalität, das menschliche Leid und das Chaos nach den Angriffen auf Hiroshima und Nagasaki vor Augen.
Mit Beginn des darauf folgenden Jahrzehnts wurden die ersten der später insgesamt fünfzehn Paneele in vielen Ländern vor allem Asiens und Europas ausgestellt. Da während des Zweiten Weltkriegs die Berichterstattung über die Bombenangriffe der japanischen Städte von den Alliierten streng untersagt war, spielten die Hiroshima Panels eine bedeutende Rolle bei der weltweiten Kommunikation über die humanitären Auswirkungen der atomaren Kriegsführung. [1] [2]
Die rote Trägerfläche auf Crouwels Plakat zur Ausstellung in Eindhoven verbindet sich assoziativ zum einen mit dem Feuer, das auf den Abbildungen der Hiroshima Panels Städte verschlingt und Menschen quält, zum anderen mit den rotgefärbten Lackwaren des japanischen Kunsthandwerks. Besonders einprägsam ist der Schriftzug „Hiroshima“, der sich über die gesamte Formatbreite des Druckwerks erstreckt. Der Stadtname erscheint in der konstruierten Variante einer sehr schmal verlaufenden Groteskschrift im Fettschnitt. Ihre Punzen sind extrem dünn und besitzen die gleiche Stärke wie die Abstände zwischen den Buchstaben. Damit legte Crouwel einen bis in die heutige Zeit als bedrückend empfundenen Ausdruck in den Ausstellungstitel.
Nach eigener Aussage bestand das gestalterische Ziel des Grafikdesigners in einem Wortbild, das sehr schwer und bedrohlich auf die Betrachterinnen und Betrachter wirken sollte. Er beabsichtigte eine monolithartige Erscheinung. [3, Seite 40] Die Farbe Schwarz verstärkt diesen Effekt und lässt in Verbindung mit dem roten Hintergrund zudem an eine verglühte Stadt und ihre verkohlten Überreste denken.
Wie für die Fontgestaltung des Typografen Crouwel charakteristisch, war auch die Schrift für „Hiroshima“ aus Rechtecken und Viertelkreissektoren zusammengesetzt. Als Modernist, wie er sich selbst bezeichnete, orientierte sich Crouwel am Vorbild der in den 1950er Jahren international vorherrschenden Schweizer Typografie und hinterlegte seinen Hiroshima-Schriftzug ebenso wie das gesamte Layout des Plakatentwurfs mit einem mathematisch präzisen Raster. Am 19. September 2019 verstarb Wim Crouwel im Alter von 90 Jahren.
Text: Melanie Kurz
Bild: Wim Crouwel: Hiroshima, 1957, Siebdruck, 80 x 60 cm. <http://www.designculture.it/interview/wim-crouwel.html> (Zugriff am 03.08.2020).
Quellen:
[1] Roerig, Tim: „Fire (Panel II) from ‚Hiroshima Panels‘“, 2017
<https://postwar.hausderkunst.de/en/artworks-artists/artworks/fire-feuer-1950-tafel-ii-der-hiroshima-tafeln> (Zugriff am 03.08.2020).
[2] Okamura, Yukinori: „The Hiroshima Panels Visualize Violence: Imagination over Life“, 2019
<https://www.researchgate.net/publication/337634291_The_Hiroshima_Panels_Visualize_Violence_Imagination_over_Life> (Zugriff am 03.08.2020).
[3] Broos, Kees: Wim Crouwel – Alphabets. Amsterdam: BIS Publishers B.V, 2003.