Die Neue Sammlung, das Designmuseum in der Pinakothek der Moderne, hat sich mit dem X-D-E-P-O-T einen lang gehegten Wunsch erfüllt und einen neuen vielseitig nutzbaren Raum eröffnet.
Dieser 600 Quadratmeter große Raum existierte bereits seit der Eröffnung im Jahr 2002 und war von Anfang an als Schaudepot vorgesehen. Jedoch konnten die Pläne bis heute nicht umgesetzt werden. Es fehlten Budget, ein barrierefreier Zugang und ein innovatives Konzept. Diese Hürden hat nun das Kuratorenteam um Angelika Nollert in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Kuehn Malvezzi erfolgreich gemeistert.
Architektur
Die Besucher:innen gelangen über die Eingangstreppe auf das um drei Meter tiefer liegende Niveau des Raumes oder sie betreten eine neu entwickelte mit Stahlblech verkleidete Stegkonstruktion, die zu einem Aufzug führt, der die barrierefreie Erschließung des Raumes gewährleistet. Hier beginnt ebenfalls der ringförmige Umgang entlang der oberen Regalreihen. Durch diese zweite Ebene gelingt es, sehr viele Objekte aus einem günstigen Blickwinkel und geringer Distanz betrachten zu können, und es ergeben sich zahlreiche neu Blickbeziehungen auf die verschiedenen Regalebenen.
Ebenfalls vom Stegumgang ist über eine Stahltreppe die untere Raumebene erreichbar. So entscheiden die Besucher:innen frei, auf welchem Weg sie sich durch das X-D-E-P-O-T bewegen.
Kuratorisches Konzept
In einer Art räumlicher Matrix werden die Ausstellungsobjekte nach inhaltlichen und ästhetisch-formalen Kriterien geordnet und der Regalanlage eingeschrieben. So können unterschiedliche Beziehungen der Objekte in der Horizontalen und in der Vertikalen hergestellt werden. In den obersten Böden der Regale sind ausschließlich Stühle und Sitze oder Leuchten angeordnet. Diese omnipräsenten Designthemen bilden hier jeweils durchlaufende Horizontalen, in ihrer spezifischen Auswahl aber geben sie die jeweiligen vertikal angeordneten Regalthemen vor. Inhaltliche und formale Bezüge von Objekten stellen sich immer wieder auch regalübergreifend ein. So entsteht gleichsam ein Gewebe von Motiven, deren Zusammenhänge auch assoziativ erfahrbar sind.
Das X-D-E-P-O-T widmet sich insgesamt rund 30 Designthemen mit rund 600 Objekten. Viele der im X-D-E-P-O-T präsentierten Objekte und Inhalte sind dabei bislang noch nicht vorgestellt worden. Hierzu zählen Objekte aus den Sammlungsgebieten Werkzeuge, Verpackungen, Gaming oder Sekundärarchitektur, Materialstudien zu Karbon, Flechtwerk, Metall oder Industriekeramik, Objektbeispiele zu den Farben Rot und Grün, aktuelle Themen wie Medical Design, Nachhaltigkeit, Schutz oder Sport.
Im X-D-E-P-O-T existieren keine Chronologie, keine geographischen Grenzen und keine Hierarchie. Objekte unterschiedlicher Zeiten, verschiedener Herkünfte und ohne traditionellen Kanon werden gemeinsam präsentiert, um neue Sichtweisen zu ermöglichen. Es geht um Phänomene, qualitätvolle Gestaltung und gute Ideen.
Hierdurch ergeben sich überraschende Paarungen, wie z. B. eine Luigi Colani Toilette und die Totems Agra und Menta von Ettore Sottsass in der Gruppe Industriekeramik oder ein grasgrünes Billy-Regal und ein ebensolcher S-Chair von Tom Dixon.
Die Exponate werden durch einen kostenfreien 86-seitigen Katalog erschlossen, in dem jedes Objekt abgebildet ist, und soweit bekannt Gestalter:in, Hersteller, Land sowie das Produktionsjahr benannt werden.
Multifunktionalität
Das X-D-E-P-O-T ist auch als multifunktionaler Raum geplant. Stühle und Sitze von Designer:innen laden zum Entspannen und Ausprobieren ein. Das X-D-E-P-O-T ist damit für alle Besucher:innen auch ein sinnlicher Ort des Aufenthaltes, der gerade Designhistoriker:innen jede Menge Designobjekte zum Entdecken und Erforschen bietet. In Kooperation mit Designer:innen, Startups sowie Grund-, Förder-, Fach- und Hochschulen sollen nach Lockerung der Pandemiebeschränkungen regelmäßig Projekte und Workshops durchgeführt werden.
Deutlich wird das auch an der Benennung als X-D-E-P-O-T. Der Name des Raumes erinnert noch an den ursprünglich mit „Schaudepot“ bezeichneten Ort. Das X als Faktor X kann dagegen vielfältig mit Wörtern belegt werden und mit dem Wort „Depot“ ein Kompositum bilden. Das X steht hier aber auch als Abkürzung für Begriffe, die mit dem englischen Präfix „ex“ beginnen und den Raum mit verschiedenen Funktionen verbinden: X-plore, X-change, X-perience, X-pose, X-plain, X-tend, X-hibit, X-periment, X-amine, X-press, X-ercise, X-pand und viele X mehr. X-D-E-P-O-T als neuer Begriff enthält all diese Bedeutungen in seiner Potenzialität.
X-D-E-P-O-T DIGITAL
Seit dem 10. September ist das X-D-E-P-O-T eröffnet und auch digital erfahrbar mit einer App, die alle ausgestellten Objekte umfasst, einem 360° Video, Kurzfilmen der Kurator:innen, einem Interview mit dem Architekten Wilfried Kuehn, Online-Führungen, einem Instagram Filter sowie einem digitalen Soundboard. So ist das X-D-E-P-O-T auch orts- und zeitunabhängig erlebbar.
Text: Kilian Steiner
Foto: Gerhardt Kellermann